Geschlechtsspezifische Krankheiten

Univ.-Prof. Dr. med. univ. Alexandra Kautzky-Willer

Frage: Ein und dieselbe Erkrankung, ganz andere Symptome: Bei welchen Krankheiten gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede und worauf müssen Frauen dabei besonders achten?

Herzkreislauferkrankungen sind bei beiden Geschlechtern die Haupttodesursache, wobei Frauen mit 47 % häufiger als Männer betroffen und davon 40 % durch Durchblutungsstörungen des Herzens verursacht sind. Ihr Risiko steigt nach der Menopause und dem Wegfall des schützenden Östrogens deutlich an; allerdings nimmt auch die Zahl jüngerer Frauen mit einem Herzinfarkt zu. Die Prognose ist bei Frauen nach einem Infarkt schlechter als bei Männern, was auch an unterschiedlichen Symptomen, an einer schlechteren Erkennungsrate und dadurch verzögerter Behandlung liegt.
Frauen klagen oft über Übelkeit, Erbrechen, allgemeines Schwächegefühl, Schmerzen im Oberbauch, Rücken oder Kieferbereich und weniger über die „typischen“ Brustschmerzen. Auch die zugrundeliegenden Gefäßveränderungen unterscheiden sich und die Diagnostik ist komplexer.

Bei der Behandlung ist deshalb eine genaue Erfassung aller veränderbaren Risikofaktoren und ein striktes modernes Management mit Erreichen der individuell festgelegten Zielwerte wichtig. Eine frühe Menopause, Zyklusanomalien, ein PCOS (polyzystisches Ovarsyndrom), Schwangerschaftskomplikationen wie Schwangerschaftsdiabetes oder –vergiftung können ein höheres Risiko für Herzkreislauferkrankungen anzeigen.

Diabetes ist ein besonders starker Risikofaktor für Frauen und gleicht das Risiko bereits vor der Menopause an das der Männer an. Leider bleibt ein Typ-2-Diabetes (90 % aller Diabetesformen) lange unbemerkt, verursacht aber bereits Schäden an den Gefäßen und Organen und wird bei Frauen oft erst spät entdeckt; denn Frauen weisen meist niedrigere Nüchternblutzuckerspiegel auf als Männer und eine Stoffwechselstörung im Frühstadium wird deshalb oft erst durch einen Zuckerbelastungstest oder Bestimmung von Blutzuckerwerten nach Mahlzeiten oder in einer Schwangerschaft zufällig erkannt.

Die bei Frauen meist gleichzeitig vorliegende Adipositas ist häufig mit psychischen Problemen und Heißhungeranfällen bei Belastungen („emotional eating“) vergesellschaftet. Alle genannten Krankheiten erhöhen auch das Risiko von Frauen bei einer Covid-19-Infektion für schwere Verläufe! In jedem Fall haben Frauen ein deutlich höheres Risiko für das Auftreten von Long-Covid, das sich auch in den Symptomen von Männern unterscheidet, wobei Autoimmunprozesse involviert sein dürften. Frauen leiden dabei öfter langfristig unter Atemproblemen, Schmerzen, Muskel- und Gelenksbeschwerden sowie unter kognitiven und psychischen Problemen, während bei Männern öfter Nierenprobleme und endokrine Störungen auftraten.

Deshalb ist es für Frauen besonders wichtig, ihre persönlichen Risikofaktoren und daraus abzuleitende Präventionsmaßnahmen bzw. Behandlungsmöglichkeiten zu kennen und entsprechend vorzubeugen!

Univ.-Prof. Dr. med. univ. Alexandra Kautzky-Willer, Professorin des Lehrstuhls für Gendermedizin an der Medizinischen Universität Wien